„Wenn ich sterbe, wird Dublin in meinem Herzen stehen“, schrieb James Joyce einst. Heute erinnern viele Orte in Dublin nicht nur an den außergewöhnlichen Autor, sondern auch an seinen weltberühmten Roman „Ulysses“ und die Geschichte von Leopold Bloom, der am 16. Juni 1904 seinen „Bloomsday“ erlebt und einen skurrilen Spaziergang durch die irische Hauptstadt macht.
Ulysses’ Dublin: Mit James Joyce und Ulysses durch Dublin ♥ Lesezeit: 8 Minuten
„When I die, Dublin will be written in my heart“
James Joyce
Ulysses’ Dublin: Sandycove
„Stattlich und feist erschien Buck Mulligan im Treppenaustritt, ein Seifenbecken in Händen, auf dem gekreuzt ein Spiegel und ein Rasiermesser lagen“. Mit diesem Satz beginnt der Roman „Ulysses“ von James Joyce. Schauplatz des ersten Kapitels ist Sandycove, ein kleines Städtchen rund 20 Minuten von Dublins Stadtzentrum entfernt. Zu Beginn tritt Buck Mulligan, eine der Nebenfiguren, im Martello Tower in Sandycove auf die Terrasse, um seine Morgenrasur vorzunehmen.
An der irischen Ostküste gibt es mehrere der sogenannte Martello Tower. Diese runden Wehrtürme wurden Anfang des 19. Jahrhunderts zur Verteidigung vor den Franzosen gebaut. Der Turm in Sandycove an der Badestelle Forty Foot heißt heute „James Joyce Tower“ und ist dem Werk von James Joyce gewidmet. 1904 wohnte er eine Weile in dem Turm und arbeitete an „Ulysses“. Ein Raum wurde so hergerichtet, wie er einst aussah, als Joyce hier lebte. Auf der Aussichtsplatte finden regelmäßig Lesungen statt. Am Bloomsday bevölkern jedes Jahr unzählige „Ulysses“-Fans das Städtchen.
Eccles Street No. 7
Das Wohnhaus von Leopold Bloom befindet sich in der Eccles Street No. 7 im Norden Dublins. Joyce sah das Backsteinhaus zum ersten Mal, als er 1909 seinen Freund John Francis Byrne besuchte, der zwei Jahre lang in der Eccles Street No. 7 wohnte.
1967 wurde das Haus wurde abgerissen. Bevor das passierte, gelang es dem Dubliner Künstler und Schriftsteller John Ryan, der 1954 den ersten Bloomsday organisierte, die Haustür und das umgebende Mauerwerk zu retten. Die Tür stand zuerst in seinem Pub „Bailey“ und befindet sich seit 1995 im James Joyce-Centre.
Ulysses’ Dublin: James Joyce Centre
Nicht weit entfernt von der Eccles Street No. 7 liegt das „James Joyce Centre“. Früher befand sich in dem alten georgianischen Gebäude eine Tanzakademie, die von einem gewissen Professor Denis J Maginni geleitet wurde, der in „Ulysses“ eine Rolle spielt.
Heute widmet sich das Museum dem Leben und Werk des irischen Schriftstellers auf drei Etagen, unter anderem mit unzähligen Fotos, Schautafeln, Videos und interaktiven Touchscreens über Joyces Leben und den „Ulysses“. Zudem gibt es Lesungen, Vorträge, Filmvorführungen und Workshops. Für Touristen besonders spannend sind die vom James Joyce Centre geführten Stadtwanderungen auf den Spuren Joyces.
Sweny’s Pharmacy
Im fünften Kapitel von „Ulysses“ besucht Leopold Bloom den heute beliebtesten Ort in Dublin unter Joycianern: die viktorianische Apotheke „Sweny’s“ am Lincoln Place. Leopold Bloom kommt hierher, um etwas Gesichtscreme für seine Frau Molly zu holen und ergänzt seinen Einkauf nach einem Schnuppern um ein Stück Zitronenseife.
Die Apotheke wurde 1847 gegründet und stellte den Betrieb 2009 ein. Heute ist der Laden eine Mischung aus Second-Hand-Buchladen, Museum und Treffpunkt von James Joyce-Fans. Freiwillige Mitarbeiter kümmern sich darum, dass die Türen nicht für immer geschlossen sind. Regelmäßig wird in Lesegruppen eine Auswahl von Joyces Arbeit vorgelesen. Unter Ulysses-Anhängern ist es insbesondere am Bloomsday Kult, ein Stück Zitronenseife zu kaufen.
Ulysses’ Dublin: Glasnevin Cemetery
Mit einer Fläche von 50 Hektar ist der Glasnevin Cemetery der größte Friedhof Irlands. Der Friedhof wurde 1832 eingeweiht, über 1,2 Millionen Menschen sind hier begraben. „Müssen ja so zwanzig bis dreißig Beerdigungen sein jeden Tag“, staunt Leopold Bloom, als er im sechsten Kapitel von „Ulysses“ den Friedhof besucht.
James Joyce liegt hier allerdings nicht begraben. Stattdessen wurde er am 15. Januar 1941 auf dem Friedhof Fluntern oberhalb von Zürich beigesetzt. 1966 wurde er am Bloomsday umgebettet und erhielt mit seiner Ehefrau Nora Barnacle ein Ehrengrab der Stadt Zürich.
Davy Byrne’s Pub
Im achten Kapitel von „Ulysses“ macht Leopold Bloom einen Lunch-Stopp. Um 13 Uhr geht er in das Pub „Davy Byrne’s“ in der Duke Street 21 und bestellt sich ein Gorgonzolabrot und ein Glas Burgunder. Die Kneipe ist seitdem ein Wallfahrtsort für Fans des Romans, das Gorgonzolabrot nach Ulysses-Art steht fest auf der Speisekarte.
Das Pub ist nach dem ursprünglichen Besitzer Davy Byrne benannt, der von 1889 bis 1939 hier der Wirt und James Joyce bekannt war, der regelmäßig hierherkam. Er erwähnte das „Davy Byrne’s“ sowohl in „Dubliner“, als auch in „Ulysses“. Am Bloomsday ist die Kneipe ein beliebter Treffpunkt in Dublin und brechend voll.
Ulysses’ Dublin: O’Connell Bridge
Die O’Connell Bridge in Dublin führt über den Fluss Liffey. Sie wurde zwischen 1791 und 1794 als Carlisle Bridge erbaut und 1882 nach dem irischen Politiker Daniel O’Connell umbenannt. Die Brücke verbindet die O’Connell Street im Norden der Stadt mit der D’Olier Street und der Westmoreland Street im Süden.
In „Ulysses“ hält Leopold Bloom auf der O’Connell Bridge an, um Möwen mit Banbury-Kuchen zu füttern (ein mit Johannisbeeren gefülltes Gebäck). Joyce schrieb: „Als er den Fuß auf die O’Connell Bridge setzte, puffte ein Federball aus Rauch von der Brüstung auf. (…) Niederblickend sah er heftig mit den Flügeln flappende, zwischen den öden Kaminmauern kreisende Möwen.“
Bachelor’s Walk
Der Bachelor’s Walk ist eine Straße und ein Kai am Nordufer des Liffey. Sie verläuft zwischen der Liffey Street Lower, der O’Connell Street Lower und der O’Connell Bridge. In „Ulysses“ ist der Bachelor’s Walk der Standort von „Dillons Auktionshaus“. Hier treffen Leopold Bloom und die Figur von Diddy Dedalus aufeinander.
„Ich laufe gerade zum Bachelor’s Walk, sagte Mr. Bloom, wegen dieser Anzeige von Keyes“, heißt es im Roman. Im frühen 20. Jahrhundert befanden sich am Bachelor’s Walk mehrere Auktionshäuser, die heute alle geschlossen sind.
Merchant’s Arch
Merchants‘ Arch ist eine überdachte Gasse, die das Viertel Temple Bar mit dem Kai vor der Ha’penny Bridge verbindet. Der Torbogen wurde 1821 von Frederick Darley als Merchant’s Hall entworfen.
Heute beherbergt das Gebäude ein Wirtshaus und ein Restaurant und wurde ursprünglich für die Merchant’s Guild errichtet. In „Ulysses“ macht Leopold Bloom in Kapitel 10 hier Halt, um einen pornografischen Roman von einem Verkäufer in Merchants‘ Arch für seine geliebte Molly zu kaufen.
Ulysses’ Dublin: Ormond Hotel
Das elfte Kapitel von „Ulysses“ spielt im legendären „Ormond Hotel“. Simon Dedalus nimmt in der Bar einen Drink und spricht mit den Barkeepern, während Leopold Bloom mit Richie Goulding im Restaurant speist: Leber mit Kartoffelpüree.
Das georgianische Gebäude existierte bereits zu Joyces Zeiten, stand dann aber lange Zeit leer. Die Monteco Holdings kaufte das Hotel 2014 und erhielt die Genehmigung, das bestehende vierstöckige Untergeschossgebäude mit 62 Zimmern vollständig abzureißen, um es durch ein teilweise fünfstöckiges und vierstöckiges Hotel mit 121 Zimmern zu ersetzen.
Trinity College
Das „Trinity College“ in Dublin wurde 1592 gegründet und zählt zu den ältesten und besten Unis der Welt. Der Campus ist 190.000 Quadratmeter groß und birgt Highlights wie die Alte Bibliothek, das Book of Kells (das berühmteste mittelalterliche Manuskript der Welt), den Glockenturm, die Kapelle und eine Vielzahl an Pubs rund um den Campus.
Am Trinity College Park nimmt Leopold Bloom ein türkisches Bad. James Joyce studierte zwar in Dublin, allerdings nicht am Trinity College. Die Kirche gab ihm keine Empfehlung. So studierte er am University College of Dublin und schrieb dort mehrere Essays und Theaterstücke.
National Libary of Ireland
In unmittelbarer Nähe liegt die „National Library of Ireland“. Im neunten Kapitel von „Ulysses“ spielt der Lesesaal eine große Rolle: Stephen Dedalus doziert hier vor den Bibliothekaren und anderen über Shakespeares Hamlet. James Joyce traf sich hier oft mit Freunden.
Die Irische Nationalbibliothek ist die Nationalbibliothek der Republik Irland und wurde 1877 gegründet. Sie kümmert sich um das Sammeln, Aufbewahren und Verfügbarmachen von Dokumenten jeglicher Art über das Leben in Irland und Irlands Kulturgut. Im Archiv befinden sich mehr als acht Millionen Einzelstücke.
Ulysses’ Dublin: The Bleeding Horse
In der Upper Camden Street steht ein historisches Gebäude, das auf das 17. Jahrhundert zurückgeht. Einst ein Kutscherhaus, ist das „The Bleeding Horse“ in der Camden Street ein bekanntes Pub, damals wie heute. Während der 1960er Jahre wurde der Name des Pubs in „The Falcon“ geändert, in den 1970er Jahren wurde der ursprüngliche Name wieder verwendet.
James Joyce und seine Freunde kamen gerne nach Literatur-Abenden in der nahen Camden Hall hierher, auch Leopold Bloom war in „Ulysses“ in dem Lokal. Heute finden regelmäßig Pub-Quiz-Abende statt.
Museum of Literature Ireland
Am Rande des St. Stephens Green Park, in dem eine von mehreren James Joyce-Büsten in Dublin steht, befindet sich in einem georgianischen Stadthaus das „Museum of Literature Ireland“, kurz MoLi. Dieser Kosename ist eine Hommage an Molly Bloom, denn das Literaturmuseum ist in mehreren Bereichen James Joyce und „Ulysses“ gewidmet. So gibt es beispielsweise eine Ausstellung mit Schatzsuche, die es Besuchern ermöglicht, jede Episode der Geschichte zu verfolgen und sich mit der Welt von Joyce auseinanderzusetzen.
Das Museum wurde im September 2019 eröffnet und ist eine Partnerschaft zwischen der National Library of Ireland und dem University College Dublin. Besucher können über 5000 Artefakte auf drei Etagen besichtigen. Ein besonderes Highlight ist die erste Ausgabe von „Ulysses“ aus dem Jahr 1904.
Ulysses’ Dublin: Custom House
Leopold Blooms Spaziergang in „Ulysses“ dauerte von acht Uhr morgens bis drei Uhr in der Früh. Er legte 13 Kilometer zu Fuß und 16 Kilometer mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zurück. Seine Strecke wird heute in Dublin nachgezeichnet: 1988 wurden 14 Messingtafeln entlang einer „Ulysses“-Route in den Boden eingelassen und markieren den Weg, den Leopold Bloom im Laufe des Romans gegangen ist.
Der Endpunkt des Romans ist das „Custom House“ am Nordufer des Flusses Liffey. Das Custom House ist ein klassizistisches Gebäude des 18. Jahrhunderts, das ursprünglich als Zollamt genutzt wurde und heute das Umweltministerium und die Kommunalverwaltung beherbergt.
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