Auf Bilderbuchstränden spazieren, in 5-Sterne-Hotels schlafen, in der First Class Champagner schlürfen: Das Leben einer Reisejournalistin stellen sich die meisten glamourös und relaxt vor, dabei entspricht der Alltag auf Reisen keinem der Klischees, die mir vorgehalten werden. 8 Sätze, die ich nicht mehr hören kann - und die ehrliche Antwort darauf.
Reisejournalismus vs. Realität: 8 Sätze, die ich nicht mehr hören kann ♥ Lesezeit: 5 Minuten
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„Du bist ja ständig nur auf Reisen!“
Erstens: Reisen gehört zu meinem Job. Zu Hause im stillen Kämmerchen schreiben sich schlecht Reisereportagen. Wer das tut, ohne ein Land gesehen zu haben, schreibt „kalt recherchierte“ Reiseartikel, von denen ich absolut nichts halte. Zweitens: Wahrnehmung und Realität klaffen oft weit auseinander. Ja, ich reise viel. Im Schnitt bin ich vier Monate im Jahr unterwegs. Aber selbst, wenn es ein halbes Jahr wäre, bliebe noch immer das andere halbe Jahr, in dem ich nicht reise. „Ständig“ bin ich also keineswegs auf Reisen. Nur weil etwas so aussieht, heißt das nicht, dass es in Wirklichkeit so ist. Dazu kommt, dass ich ja arbeite, wenn ich unterwegs bin – nicht nur an der aktuellen Geschichte vor Ort, sondern auch an anderen Aufträgen, die ich nicht einfach liegenlassen kann, nur weil ich auf Reisen bin. By the way: Es gibt kaum Reisejournalisten, die vom reinen Reisejournalismus leben können. Fast alle machen zusätzlich andere Projekte, die oft mit Reisen wenig zu tun haben – so auch ich.
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„Ich will auch so oft Urlaub machen!“
Urlaub dient der Erholung, Reisejournalismus meinem Broterwerb. 90% meiner Reisen sind Recherchereisen, auf denen ich arbeite. Tage, an denen ich mir Dinge ansehen, die Menschen im Urlaub an drei Tagen sehen. Das sind lange Tage, an denen ich dauernd müde bin. An denen ich vor Sonnenaufgang aufstehe, um das beste Licht zu erwischen. Wo ich bei Eiseskälte oder im Regen durch eine Stadt laufe, weil mir kein weiterer Tag bleibt. Tage, an denen ich oft wegen einem dichten Programm um zwei Uhr morgens im Bett liege, wissend, dass der Wecker drei Stunden später wieder klingelt. Nicht aufstehen oder schlecht gelaunt sein, darf ich mir nicht erlauben. Bin ich alleine unterwegs, muss ich organisiert sein und mich immer aufs Neue motivieren, so viel Material zu sammeln wie möglich; bin ich auf Pressereise, gebietet es der Anstand Kollegen und Veranstaltern gegenüber, trotz Stress, Hektik und Schlafmangel stets freundlich und professionell zu sein. Urlaub ist Reisejournalismus daher niemals.
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„Ich will auch so wenig arbeiten!“
Siehe Punkt 2. Recherchereisen sind sehr viel Arbeit, dazu kommt als Freiberufler, wie ich es bin, die Tatsache, dass ich meine Aufträge und Termine einhalten muss, ganz egal ob ich gerade in Wien am Schreibtisch sitze oder im australischen Busch auf Pressereise bin. Dann ist es meine Aufgabe, mir irgendwann in meinem dichten Programm Zeit freizuschaufeln, eine gute WLAN-Verbindung zu finden und zu arbeiten. In der Realität ist das meist im Hotel – nach Mitternacht oder vor sieben Uhr morgens. Wenig arbeiten sieht für mich irgendwie anders aus.
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„Wegfahren und ein bisschen darüber schreiben – das könnte ich auch!“
Ich sage regelmäßig, dass ich dank 14 Staffeln von „Grey’s Anatomy“ locker eine Operation am offenen Herzen machen könnte (oder dass ich dank „Lost“ bei jedem Langstreckenflug darauf warte, endlich abzustürzen, um auf einer einsamen Insel zu stranden und mit dem sexy Außenseiter, der praktischerweise auch überlebt hat, eine heiße Affäre zu haben). Vorstellung und Realität klaffen hier aber weit auseinander. Ich bin froh, wenn ich jemandem ein Pflaster aufkleben kann, ohne ihn umzubringen – und würde mir niemals anmaßen, mich über einen Beruf zu erheben, indem ich behaupte, dass er a) einfach ist und ich ihn b) auch machen könnte. Nur weil Reisejournalismus offenbar für viele weniger greifbarer und definierbarer ist als die Arbeit als KFZ-Mechaniker oder IT-Techniker, bedeutet das nicht, dass jeder dazu in der Lage ist. Punkt.
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„Ich habe deine Fotos auf Instagram gesehen. War ja total entspannt!“
Instagram zeigt nur einen Bruchteil des Alltags und entspricht vor allem nicht der Realität, das sollte mittlerweile überall angekommen sein. Genauso wie die Tatsache, dass wohl jeder, der Instagram konsequent betreibt, darauf achtet, einen schönen und ästhethischen Feed zu haben. Ich stecke viel Liebe und Arbeit in meinen Kanal, poste aber natürlich nur minimale Ausschnitte einer Reise – eben die schönsten Momente, die durch den passenden Filter genau jene Optik erhalten, für die Instagram steht. Ein Foto, auf dem ich eine wunderbare Aussicht zu genießen scheine, zeigt nicht, dass ich lediglich drei Minuten Zeit hatte, um Fotos sowohl mit meiner Kamera, als auch Instastorys und Fotos mit dem iPhone zu machen, danach zum Bus zu rennen und aus Zeitmangel mal wieder verzichten musste, auf die Toilette zu gehen oder etwas zu trinken zu kaufen. Das ist aber eine Realität, die ich nicht erzählen muss, eben weil Reisejournalismus nichts gemein hat mit einem Urlaub, für den ich quasi mit meinen Fotos werbe. Wenn es allerdings die Nachfrage nach Fotos von den Blasen an meinen Füßen, Selfies mit Augenringen oder hübsch ungeputzten Toiletten am anderen Ende der Welt gibt, kann ich meinen Feed gerne überdenken ;-).
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„Da war ich schon, da muss man nicht hin!“
Die Welt ist groß, die Geschmäcker sind verschieden – mehr muss ich dazu nicht sagen. So sehr ich mich über Tipps vor Recherchereisen freue, so wenig brauche ich negative Meinungen über Städte, Länder und Regionen, die sich jemand nach nur wenigen Tagen gemacht hat. Ich gehe stets völlig vorurteilsfrei auf Reisen und möchte nicht negativ beeinflusst werden. Genauso wie jeder Mensch beim ersten Kennenlernen nicht vorab bewertet werden soll, genauso sollte man mit der Welt umgehen – und sich erst eine Meinung bilden, wenn man sie kennt. Gut kennt.
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„Dein Leben möchte ich haben!“
Das ist ein Satz, den niemand aussprechen sollte, weil er in jeder Situation unangebracht und eindimensional ist. Kein Mensch, selbst enge Freunde oder Familienangehörige, hat einen vollkommen transparenten Einblick in das Leben eines anderen. Woher nimmt man sich also das Recht, darüber zu urteilen und zu entscheiden: Das andere Leben ist besser? Oder einfacher? Solange man nicht in den Schuhen eines anderen gegangen ist, kann man ein anderes Leben nicht beurteilen – und selbst dann geht das nur bedingt. Vor allem merkt man dann, dass einem die Schuhe vielleicht gar nicht passen. Oder der Weg doch kein so leichter ist.
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„Viel Spaß, genieß es!“ vs. „Na, bist du erholt?“
Ja, mein Beruf ist meine Berufung. Dafür bin ich irrsinnig dankbar, jeden Tag aufs Neue. Ja, ich habe meist Spaß daran. Ja, ich genieße es. Aber Reisejournalismus ist Arbeit. Eine tolle Arbeit, aber Arbeit, die mich viel Kraft kostet und mich manches Mal an meine Grenzen bringt. Im Unterschied zu jemandem, der nine to five ins Büro geht und danach seinen Job einfach ausblenden kann, kann ich das nicht, wenn ich reise. Da passiert nach 17 Uhr noch ein Großteil des Programmes, obwohl ich weit vor denjenigen aufgestanden bin, die besagte Sätze immer wieder zu mir sagen. Wer mir viel Erholung wünscht, versteht meinen Job nicht. Wünscht mir stattdessen viel Erfolg auf Reisen. Dass ich gesund ankomme und gesund abreise. Dass Flüge pünktlich und lange Wege erträglich sind. Dass ich alles schaffe, was auf meiner langen Rechercheliste steht. Dass ich schöne Begegnungen habe, viel sehe und lerne und niemals die Freunde verliere, Geschichten zu sammeln und zu erzählen. Aber wer „Viel Spaß, genieß es!“ und „Na, bist du erholt?“ sagt, sagt auch Punkt 1 bis 7 zu mir. Und denkt tatsächlich, dass ich dafür bezahlt werde, auf Bilderbuchstränden zu entspannen, in 5-Sterne-Hotels auf Rosen gebettet auszuschlafen, in der First Class Champagner zu schlürfen und auf einem Einhorn zum Flughafen zu reiten ;-).
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