Es gibt ja Menschen, die in jedem Land und in jeder Situation eloquent parlieren, siebzehn Sprachen fließend sprechen und jede neue in Nanosekunden zu inhalieren scheinen. Smalltalk auf Suaheli, Anzüglichkeiten auf Altaramäisch, eine kluge Kommunikation auf Khinalug über die innerpolitische Lage im Kaukasus. So bin ich nicht. Ich bin wie Rowan Atkinson in „Mr. Bean macht Ferien“.
Französischer Kochkurs mit Sprach-Barrieren ♥ Lesezeit: 5 Minuten
Es ist ja nicht so, dass ich nicht französisch spreche. Ganz im Gegenteil. Ich bemühe mich wirklich und versuche jedes Mal, wenn ich in Frankreich bin, mich in der Landessprache zu verständigen. Einzig: Man versteht mich nicht. Denn das Französisch, das ich spreche, setzt sich zusammen aus Kinderliedern, den Charts und Edith Piaf. Ich kann fragen, ob jemand unter der Brücke in Avignon („Sur le pont d’Avignon“) mit mir schlafen (“Voulez-vous coucher avec moi?”) und es anschließend nicht bereuen (“Non, je ne regrette rien“) möchte, das ist allerdings nicht ganz so ideal, wenn man nach dem Weg fragen oder einen Kaffee bestellen will. Pardon my french.
Und so begab es sich also, dass mich eine Pressereise in ein französisches Überseegebiet führte. Auf dem Programm stand ein französischer Kochkurs, irgendwo im Nirgendwo, wo sur le pont der Fuchs nicht mal die Gans stehlen will. Unsere Gastgeberin: eine ältere Französin, die zwar großartig kochen, aber kein Wort Englisch konnte. Unsere Gruppe: sechs Journalisten, die zwar kochen wollten, aber kein Wort Französisch konnten. L’Autriche: zero points!
Französischer Kochkurs: Linguistischer Legastheniker
Da stand also die französische Köchin vor uns, redete auf uns ein und fuchtelte mit den Armen – und wir starrten sie an, als würden wir „Activity“ spielen und sie den Begriff „Kernkraftenergie“ pantomimisch darstellen. Die Dame schien es besonders auf einen Kollegen in unserer Gruppe abgesehen zu haben. Sie starrte ihn unverhohlen an, während sie pausenlos auf uns einredete. Was an seinem Aussehen lag, denn er war nicht nur sehr groß, sondern auch sehr behaart. Die Frage, an welchen Körperstellen er nicht behaart war, stand unausgesprochen im Raum. Ob sie sein Aussehen seltsam fand oder Angst hatte, seine Haare könnte in unserem Essen landen, weiß ich nicht. In ihrem Redeschwall konzentrierte sie sich in jedem Fall stark auf ihn.
Dass ich ein linguistischer Legastheniker bin, wusste bis dato keiner, da wir am Anfang der Reise standen. Während wir also aneinander vorbeiredeten und weit entfernt davon waren, mit dem Kochkurs zu beginnen, beschloss ich, den Spieß mal umzudrehen. Und französisch zu verstehen, anstatt es zu sprechen.
Ich drehte mich zu dem behaarten Kollegen und übersetzte: „Sie möchte wissen, ob in deinem Land alle Männer so behaart sind.“
„WAS?!“
„Und sie möchte wissen, wie du dich ernährst, dass deine Körperbehaarung so exorbitant ist.“
„WAS?! Das kann sie doch nicht fragen.“
Ich zuckte mit den Schultern. „Don’t judge the messenger“, sagte ich. „Ich übersetze lediglich.“
„WAS?!“ Der Kollege war sichtlich irritiert und trat einen Schritt zurück.
Französischer Kochkurs: „Quelle malheur!“
Inzwischen hatte die Köchin einen Weg gefunden, die Kochlektion in Gang zu bringen. Sie zeigte auf Zutaten und Werkzeuge – und wir verstanden sie. Zwiebel plus Messer: Zwiebel schneiden. Wasserhahn plus Karotten: Karotten waschen. Mehl plus Eier plus Butter plus Rührschüssel plus Kochlöffel: Teig machen. Alles in allem waren wir gelehrige Schüler, insbesondere der behaarte Kollege. Jedes Mal, wenn ihr Wortschwall in seine Richtung zu gehen schien, sah er mich hilflos an. Da ich mich als französisches Sprachtalent erwiesen hatte, sollte ich ständig für ihn übersetzen. Also nutzte ich die Gunst der Stunde und erreichte, dass er seine ellenlangen Haare zu einem Zopf band, die Hände wusch, ehe er die Karotten schnibbelte und uns französischen Wein einschenkte, damit der Kochkurs noch besser flutschte. La vie en rose.
Französischer Kochkurs: Pardon my french.
Kurz darauf sprach die Köchin ihn wieder an – und er sandte einen fragenden Blick in meine Richtung.
„Sie möchte, dass du da drüben die Fische holst, damit wir sie zubereiten können“, sagte ich. „WAS?!“ sagte er, „wirklich?“
Ich nickte. Und ehe ich „quelle malheur!“ rufen konnte, stand er schon beim Aquarium und wollte mit seinen behaarten Händen ein paar Goldfische angeln. Die Köchin schrie schockiert auf, die Fische schwammen Formel 1 und der Kollege hatte nicht nur Probleme, Nemo zu finden, sondern auch seine Contenance. Rien ne va plus.
Was soll ich sagen? Pardon my french. Der Kollege war nicht ganz so amüsiert wie der Rest der Gruppe, als ich erklärte, dass ich kein Französisch kann. Nur die Köchin kicherte leise vor sich hin, als wir es schafften, ihr pantomimisch meinen Streich zu erklären. Der Rest der Pressereise verlief dann ohne weitere Vorfälle. Die Übersetzungen ließ ich allerdings bleiben. Denn der behaarte Kollege warf mir skeptische Blick zu, sobald ich den Mund aufmachte. Dabei wollte ich mich eh nur für das Amusement bedanken. „Gracias!”
♥ Weiterlesen
Israel-Reise-Kolumne: E-Mail für dich aus Israel
Reise-Kolumne: Gute Führung auf Reisen ist alles
Reise-Kolumne: Undercover-Urlaub im Single-Hotel