Die Kontraste in Tel Aviv prallen genauso hart aufeinander wie Schläger und Ball beim Matkot. Man lebt in einer geografisch kritischen Region, voller Sehnsucht, im Hier und Jetzt. In keiner anderen Stadt der Welt spürt man solch einen Lebenshunger. Denn nirgendwo anders liegen Religion und Freiheit so nahe beieinander wie in Israel. Eine Liebeserklärung an eine Stadt voller Lebenshunger.
Lifestyle, Leichtfüßigkeit & Lebenshunger: Liebeserklärung an Tel Aviv ♥ Lesezeit: 5 Minuten
Klock-klock. Klock-klock. Den ganzen Tag hört man ein markantes Geräusch, ein feines Klock-klock, den steten Rhythmus an Tel Avivs Stränden. Wie ein treues Pochen begleitet dieses Klock-klock jeden, der hier in der Sonne am Mittelmeer liegt oder am Tayelet entlangspaziert, der insgesamt 14 Kilometer langen Strandpromenade von Tel Aviv. Der Grund für das Klock-klock liegt am Nationalsport der Israelis, der am Strand zelebriert wird: Jeder hier spielt Matkot, schlägt mit einem Holzschläger einen Ball, rennt ihm nach, schlägt zurück, und wieder erklingt es wie ein treues Mantra: Klock-klock. Klock-klock.
Tel Aviv schillert: Wenn zu Mittag die Sonne am höchsten Punkt steht und der Zenit gleißend verschwimmt, das Mittelmeer türkis funkelt und die Menschen in der Sonne relaxen, ahnt man nicht, dass wenige Stunden später der Strand aus einem ganz anderen Grund schillern wird: wenn das Partyvolk in einer der unzähligen Strandbars das Nachtleben einläutet, um bis zum Sonnenaufgang in der tolerantesten Metropole Israels zu feiern.
Israel lässt alles offen, Tel Aviv alles zu
Ein Sprichwort in Israel lautet: „Jerusalem betet, Haifa arbeitet, Tel Aviv tanzt“. Das stimmt. Denn das Leben in Tel Aviv ist trotz politisch angespannter Lage ein eklektischer Mix aus Orient und Okzident, aus Langsamkeit und Schnelllebigkeit, aus Offenheit und Orthodoxie. Nirgendwo anders liegen Religion und Freiheit so nahe beieinander wie in Israel. Morgens in Jerusalem beten, mittags im Toten Meer schwimmen, nachmittags durch die Wüste wandern, nachts in die LGTB-Szene eintauchen? Israel lässt alles offen, Tel Aviv alles zu.
Das liegt vielleicht auch an der Situation des kleinen Landes. Man lebt in einer geografisch kritischen Region und die Menschen sind voller Sehnsucht, leben stets im Hier und Jetzt. In keiner anderen Stadt der Welt spürt man solch einen Lebenshunger und solch eine Leichtfüßigkeit. Wenn man die Füße im Sand vergräbt, ein Bier oder einen Wodka mit Passionsfrucht trinkt und die Gischt elegant auf den Wellen tanzen sieht, kann man leicht vergessen, dass man nur 90 Kilometer entfernt ist vom Gazastreifen, wo ein Krieg herrscht, der nie zu enden scheint.
Man lebt intensiver als anderswo
Ja, Tel Aviv ist eine Partystadt mit einer knallbunten Oberfläche, doch kratzt man nur ein wenig daran, wird die Realität darunter sichtbar, die ständig über der Stadt schwebt. Trotz vermeintlicher Leichtigkeit ist die politisch angespannte Lage Israels allgegenwärtig: Auf den Straßen prägt das Militär das Stadtbild, in Einkaufszentren muss man durch Sicherheitskontrollen, in Clubs ist es dasselbe. Es ist manchmal zu laut, zu chaotisch, zu anstrengend, zu gefährlich. Aber genau das macht den eklektischen Rhythmus der Stadt aus. Man lebt intensiver als anderswo. Man lebt mit vollem Herzen, egal ob Urlauber oder Israeli.
Junge Israelis hadern nicht lange. Sie gehen Risiken ein, verwirklichen Träume, gründen Start-ups. Der Lebenshunger, die Leichtfüßigkeit und die Lebenslust sind der Motor der Stadt, der Wunsch nach Frieden eine stete Sehnsucht. Vielleicht ist es auch der Überlebensinstinkt, der die Israelis so leben lässt, wie sie es tun: frei, auch wenn’s politisch und territorial gesehen an Freiheit mangelt. Chancen werden ergriffen, auch wenn sie augenscheinlich gar nicht da sind. Statt „no risk, so fun“ gilt „viel risk, viel fun“, Tag für Tag, Jahr für Jahr.
Das Leben in Tel Aviv kann ein Widerspruch sein. Es ist westlich und gleichzeitig ur-israelisch. Es ist traditionell und dann wieder wild und hedonistisch. Es ist würzig und gleichzeitig mild. Es ist heruntergerockt und elegant. Es ist ängstlich und mutig, bescheiden, aber auch eitel. Die Kontraste prallen in Tel Aviv eben genauso hart aufeinander wie die Schläger und Bälle beim Matkot am Strand, wenn die pralle Sonne im bauschenden Mittelmeer versinkt und vom vertrauten Sound begleitet wird. Klock-klock. Klock-klock.
Offenlegung
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