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Leinwand-Geschichten rund um den Globus: Die besten Filme bei Sehnsucht nach der Welt

Magdalena Miedl ist geschichtensüchtig, leseversessen und schreibverliebt. Seit 20 Jahren schreibt sie „über Film und andere Lebensmittel“, sieht im Schnitt jede Woche fünf neue Filme und reist regelmäßig zu Filmfestspielen in Berlin, Cannes, Venedig, San Sebastian oder Zürich. Ein Gespräch über Leinwand-Geschichten rund um den Globus: über Filme, die die Reiselust wecken, Streifen voller Sehnsucht nach der Welt – und den ultimativen Film, den man in Zeiten von Corona zu Hause sehen sollte.


Interview: Die besten Filme bei Sehnsucht nach der Welt ♥ Lesezeit: 8 Minuten


Woher kommt deine Liebe zu Filmen?

Ich bin geschichtensüchtig. Immer schon. Leseversessen, schreibverliebt, und seit dem Zeitpunkt, an dem ich (erst als Teenager) das Kino entdeckt habe, komplett filmfanatisch. Seit ich das – auch schon seit zwanzig Jahren – beruflich mache, sehe ich im Schnitt jede Woche fünf neue Filme. Bester Job der Welt! (Okay, vielleicht zweitbester, nach Reisejournalistin).

Dein absoluter Lieblingsfilm?

Da du mir diese Fragen stellst, während sich draußen alle vor dem Coronavirus fürchten: Einer meiner liebsten fröhlichen und beruhigenden Filme ist „Umimachi Diary“ (verfügbar auf Amazon Prime und iTunes), auf Deutsch „Unsere kleine Schwester“ (2015) von Hirokazu Kore-eda, in dem drei verwaiste erwachsene Schwestern ihre jüngere Halbschwester kennenlernen und bei sich in einem großen alten Haus aufnehmen. Alle haben ihre mittelgroßen, aber bewältigbaren Probleme, grundsätzlich sind alle lieb zueinander, und alle essen ununterbrochen. Herrlich!

Leinwand-Geschichten rund um den Globus: Die besten Filme bei Sehnsucht nach der Welt

Wenn du auf Reisen bist: Gehst du dann vor Ort ins Kino?

Sehr oft haben meine Reisen ohnehin mit Film zu tun, wenn ich zu Festivals nach Berlin, Cannes und Venedig, San Sebastian, Zürich oder sogar Macao fahre, zu Interviews nach Los Angeles, New York, Cancun, Barcelona, Kopenhagen, London und Paris – wobei ich mein Unterwegssein in den letzten Jahren so weit als möglich auf Zugfahrten reduziert habe. Insofern: Klar, ich geh überall ins Kino. Bei privaten Reisen finde ich kommerzielles Kino ein bisschen öd, das ist weltweit ohnehin sehr ähnlich. Viel interessanter sind beispielsweise Filmmuseen, die selten gesehene Werke lokaler Regielegenden spielen. Seit Jahren auf meiner Reise-To-Do-Liste steht das Filmmuseum in Amsterdam – die sollen einen sensationellen Shop haben. 

Du reist immer wieder zu Filmfestspielen rund um die Welt. Wo gefällt es dir am besten – und warum?

Ich liebe sie alle! Die Berlinale hat zwar den Nachteil, im Februar stattzufinden, dafür hat die Stadt einige der schönsten Kinos, die ich kenne – allen voran das wunderschöne Kino International, zu dem sogar ich notorische Zuspätkommerin gerne eine halbe Stunde früher anreise – die Bar im ersten Stock ist nämlich ein Traum. Cannes ist völliger Aberwitz, was das Gewühl rund ums Festivalpalais betrifft, aber nichts geht über die Möglichkeit, vor dem Morgenscreening jenseits des alten Hafens eine kühle Morgenschwimmrunde zu drehen.

Leinwand-Geschichten rund um den Globus: Die besten Filme bei Sehnsucht nach der Welt

Beim Filmfestival am Lido di Venezia liebe ich das Provinzielle im Kontrast mit dem Roten Teppich, die Nähe zu Venedig, die Überschaubarkeit des Festivalbezirks – und diese eine Stelle am Meer, wo ich letztes Jahr einen wilden Feigenbaum entdeckt habe, dessen Früchte genau während des Festivals reif sind. Aber das liebste Festival ist mir San Sebastian: die vielen kleinen Bars in der Altstadt, die herrlichen Pintxos (ähnlich wie Tapas) zum Bier oder zum Txacoli (dem baskischen Weißwein), und der wunderbar gepflegte Strand, der kostenlos für alle zur Verfügung steht, mitsamt Süßwasserduschen und Sanitäranlagen. Und das Programm ist auch ziemlich gut.

Ein Film, der bei dir Reiselust und Sehnsucht nach der Welt weckt?

Du darfst mich auslachen: Jedes Mal, wenn irgendwas in Venedig spielt, krieg ich sofort Lust hinzufahren. Egal ob ein Meisterwerk wie Roegs „Don’t Look Now“ (Wenn die Gondeln Trauer tragen, 1973), Schraders aberwitziger „The Comfort of Strangers“ (Der Trost von Fremden, 1990) oder Totaltrash wie Donnersmarcks „The Tourist“ (2010) oder ungefähr jede Folge eines Commissario-Brunetti-Krimis. Ich liebe jede Ecke dieser Stadt, auch die total kommerziellen, am meisten die versifften. 

Ein Film, der dir ein Land oder eine Stadt besonders nahegebracht hat?

Vor ein paar Jahren hat die französische Regisseurin Pascale Ferran einen Film gemacht, der ausschließlich am Flughafen Charles de Gaulle spielt, und zwar „Bird People“ (2014). Eine junge Hotelangestellte und ein amerikanischer Reisender treffen da aufeinander, und etwas Magisches passiert, das nur zwischen Menschen geschehen kann, die auf der Durchreise sind. Das ist im Übrigen etwas ganz anderes, als wonach es klingt – aber seit „Bird People“ muss ich jedes Mal, wenn ich an einem Flughafen bin und Spatzen sehe, ein bisschen lachen und ein wenig weinen.

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Ein Film, der in einem Land spielt, das du unbedingt noch bereisen möchtest?

Der sehr merkwürdige und bildgewaltige Film „Zama“ (2017), von Lucretia Martel, der in Paraguay spielt, im ausgehenden 18. Jahrhundert. Das Land ist da noch ein Außenposten des Spanischen Weltreichs, und der Protagonist Diego de Zama ist als Verwalter eingesetzt, hat aber schon seit Jahren um Versetzung angesucht. Das Ganze ist sehr blutig und sehr arg, und ich stell mir das Land, in dem so eine Geschichte spielt, sehr wild vor. Auf Filmgarten gibt’s den Film demnächst zu streamen. 

Umgekehrt: Hat dich mal ein Film dazu inspiriert, irgendwohin zu reisen und deine Sehnsucht nach der Welt geweckt?

Western“ (2017) von Valeska Grisebach, der in Bulgarien spielt. Der Film ist strukturiert wie ein klassischer Western: Eine Gruppe von Siedlern kommt an einen vermeintlich wilden Ort, soll hier etwas aufbauen, beginnt das Land zu unterwerfen, ein Pferd wird gezähmt, „eingeborene“ Frauen angeflirtet. Doch das Ganze beruht auf einem Missverständnis, denn dieses Land ist nicht unbestellt, und für breitbeiniges Pioniergehabe ist hier nicht der Platz – wie eigentlich nirgends auf der Welt. Die Siedler sind hier deutsche Bauarbeiter, die „Eingeborenen“ ganz einfach Dorfbewohner, das Ganze ist unglaublich wildromantisch – und erzählt sehr viel über die missverstandene Beziehung zwischen Ost und West. 

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In Zeiten von Netflix und Co: Warum schaust du noch immer lieber Filme als Serien?

Wenn’s blöd ist, ist es wenigstens schneller aus … 

Der ultimative Film, den man in Zeiten von Corona zu Hause sehen sollte?

Sehr, sehr lustig und bös’ ist „The Heartbreak Kid“ (1972) von Elaine May, über einen Typen, der frischverheiratet draufkommt, dass er seine Angetraute nicht ausstehen kann, und sich auf Flitterwochen in Florida in eine andere verliebt (die junge Cybill Sheperd, man kann’s ihm nicht verdenken). Für Paare, die derzeit aufeinander kleben und sich schon nicht mehr riechen können, ist das Ganze hoffentlich therapeutisch – und für Menschen, die alleine sind, ziemlich tröstlich: Zu-zweit-sein ist auch nicht unbedingt das Gelbe vom Ei. Den Film hat eine gute Seele auf YouTube raufgeladen. Der Stoff ist 2007 von den Farrelly-Brothers mit Ben Stiller neu verfilmt worden, im Gegensatz zum Original eine ziemlich herzlose Angelegenheit – bitte nicht verwechseln und ärgern.


Zur Person

Leinwand-Geschichten rund um den Globus: Die besten Filme bei Sehnsucht nach der Welt

Magdalena Miedl schreibt über Film und andere Lebensmittel, auf Papier (z. B. für „Salzburger Nachrichten“ und „Wienerin“) und im Internet (z. B. auf ORF.at und Twitter), daheim und unterwegs, am liebsten im Zug.


Die besten Filme bei Sehnsucht nach der Welt

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