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Friedliche Revolution in Leipzig: 35 Jahre Freiheit und Demokratie

Der 9. Oktober ist der wichtigste Tag in der jüngeren Geschichte der Stadt Leipzig. Schon im Sommer 1989 trafen sich mehr und mehr Ostdeutsche zu den Montagsdemonstrationen, um das politische System zu verändern. Der 9. Oktober 1989 markierte die Wende und das Ende der DDR: Mehr als 70.000 Menschen demonstrierten für Freiheit und Demokratie.


Friedliche Revolution in Leipzig: 35 Jahre Freiheit und Demokratie ♥ Lesezeit: 9 Minuten


„Die Friedliche Revolution gehört zu unserer DNA“, sagt Burkhard Jung. Der Oberbürgermeister der Stadt Leipzig steht in einem sonnendurchfluteten Raum in der Alten Nikolaischule. Vor den geöffneten Fenstern läutet die Glocke der Nikolaikirche, als wolle sie seine Worte unterstreichen. „Leipzig steht seit 1989 für Aufbruch, Veränderung, Freiheit, Frieden und Demokratie. Der 9. Oktober ist ein Feiertag der lebendigen Demokratie, der an den Mut und die Beharrlichkeit erinnert, die die Friedliche Revolution getragen haben.“

Montagsdemonstrationen von Leipzig 

Zahlreiche Journalisten sind zur Pressekonferenz zum Lichtfest Leipzig 2024 erschienen. Die Veranstaltung findet seit dem Jahr 2009 statt und erinnert an die Montagsdemonstrationen vom 9. Oktober 1989. An jenem geschichtsträchtigen Tag gingen in Leipzig mehr als 70.000 Menschen für Freiheit und Demokratie auf die Straße. Heute weiß man, dass es viel mehr waren. Experten haben das Bildmaterial analysiert und gehen davon aus, dass weit über 100.000 Demonstranten durch die Straßen von Leipzig zogen, um das politische System zu verändern.

Friedliche Revolution in Leipzig: Nikolaikirche.

Friedliche Revolution in Leipzig: Alte Nikolaischule.

Der Platz, an dem der Oberbürgermeister zur Presse spricht, könnte passender nicht sein. Im Herbst 1989 war die Nikolaikirche Ort der Friedensgebete und der Ausgangspunkt der Friedlichen Revolution in der DDR. Die Menschen forderten Meinungsfreiheit, freie Wahlen, Freiheit und demokratische Reformen. Was darauf folgte, war der Zerfall des sozialistischen Staatenblocks, der Mauerfall in Berlin am 9. November 1989 und die Wiedervereinigung Deutschlands am 3. Oktober 1990. Seither gilt die Nikolaikirche als Symbol der Friedlichen Revolution in Leipzig. 

Pressekonferenz zur Friedlichen Revolution in Leipzig.

Herbst ’89: Friedliche Revolution in Leipzig

Der Herbst 1989 prägte Leipzig wie keine andere Zeit in der jüngeren Geschichte der Stadt. Nach den Friedensgebeten am 4. September 1989 änderte sich die Stimmung. Über 1.200 Menschen gingen nicht nach Hause, sondern blieben auf den Straßen und demonstrierten. Das war der Start der Montagsdemonstrationen, die rasch auch auf andere Städte überschwappten. Woche für Woche gingen Hunderttausende DDR-Bürger auf die Straße und protestierten gegen die politischen Verhältnisse. Mit dem Ruf „Wir sind das Volk“ wollten sie für eine friedliche, demokratische Neuordnung und das Ende der SED-Herrschaft kämpfen.

Friedliche Revolution in Leipzig
Friedliche Revolution in Leipzig
Foto: Armin Kühne

Die Demonstrationen und Friedensgebete stießen der DDR-Regierung bitter auf. Die Staatssicherheit griff hart durch: Am 11. September 1989 wurde der Nikolaikirchhof nahezu hermetisch abgeriegelt. An jenem Tag kam es zu 104 Verhaftungen. Der Vorwurf: Zusammenrottung. Das hielt die Menschen aber nicht davon ab, in den kommenden Wochen weiter auf die Straße zu gehen. Mitte September wies SED-Generalsekretär Erich Honecker an, dass „diese feindlichen Aktionen im Kern erstickt werden müssen“ und „die Organisatoren der konterrevolutionären Tätigkeit isoliert werden müssen“. Doch die Friedliche Revolution in Leipzig war bereits zu weit vorangeschritten: An der Montagsdemonstration am 25. September beteiligten sich mehr als 5.000 Menschen.

Friedliche Revolution in Leipzig

9. Oktober 1989: Friedliche Revolution in Leipzig

Der Wendepunkt war der 9. Oktober 1989. An jenem Tag gehen so viele Menschen auf die Straßen Leipzigs, dass die Staatsmacht vor der Menschenmenge kapitulieren muss. Nachdem die Sicherheitskräfte an diesem Tag nicht gegen die Demonstration eingriffen, konnte sich der Demonstrationszug, der damals aus geschätzten 70.000 Personen bestand, um den Leipziger Innenstadtring ohne Ausschreitungen entwickeln. Denn der Grundtenor war immer: „Keine Gewalt“. Die Friedliche Revolution in Leipzig wurde ihrem Namen immer gerecht. Sie war friedlich.

Friedliche Revolution in Leipzig
Friedliche Revolution in Leipzig

Die Bilder der Proteste wurden trotz Abschottung der Stadt außer Landes geschmuggelt – und landeten direkt im Westfernsehen und gingen weiter um die Welt. Die Wende war nicht aufzuhalten. Und der 9. Oktober 1989 ging als jener Tag in die Geschichte ein, der das Ende des SED-Regimes und der DDR besiegelte.

Feier zur Friedlichen Revolution in Leipzig: Lichtfest 2024 

Im Jahr 2024 feiert Sachsens Hauptstadt den 35. Jahrestag der großen Leipziger Montagsdemonstrationen. Der Tag bringt die Stadt zum Leuchten, wortwörtlich: Am 9. Oktober setzt das Lichtfest Leipzig die Protestroute der Montagsdemonstration in Szene. Von 19 bis 24 Uhr säumen über 20 Lichtinstallationen lokaler, nationaler und internationaler Künstlerinnen und Künstler den gesamten Innenstadtring. 

Lichtfest Leipzig 2024
Foto: Alexander Schmidt

Das erste Lichtfest stand am 9. Oktober 2009 unter dem Motto „Aufbruch Leipzig – 20 Jahre Friedliche Revolution und Einheit Europas“. Der sogenannte „Tag der Freiheit“ wurde 2009 zum städtischen, nicht arbeitsfreien Gedenktag zur Erinnerung an die Friedliche Revolution 1989 bestimmt. Drei Traditionen stehen jedes Jahr im Mittelpunkt: die Rede zur Demokratie und der städtische Festakt im Gewandhaus zu Leipzig, das Friedensgebet in der Nikolaikirche und das Lichtfest Leipzig im öffentlichen Raum entlang des Innenstadtrings.

Lichtfest Leipzig 2024
Foto: Andreas Schmidt

Leipzig: Stadt des Aufbruchs

Wer heute nach Leipzig reist, entdeckt eine Metropole, die immer im Aufbruch zu sein scheint. Vielleicht ist das der Geschichte der Stadt geschuldet und den Menschen, die hier leben. Als einzige ostdeutsche Region gehört die Stadt im Westen Sachsens zu den wachstumsstärksten Regionen Deutschlands. Und das aus gutem Grund. Leipzig kann alles sein. Modern und mutig. Selbstbewusst und solide. Links und lebenslustig. 

Auf all das, was in Leipzig möglich ist, trifft aber auch all das, was Leipzig einst erlebte. Die Geschichte hat die Stadt geprägt. Nicht nur alljährlich im Herbst, wenn das Lichtfest gefeiert wird, ist die Erinnerung allgegenwärtig. Rund um den Innenstadtring und in der Altstadt gibt es zahlreiche Orte, wo die Friedliche Revolution von einst noch heute erlebbar ist.

Nikolaikirche

Will man die Geschichte der Friedlichen Revolution in Leipzig erzählen, muss man mit der Nikolaikirche beginnen. Hier fing einst an, was im Herbst 1989 die Wende auslöste. Eng damit verwoben sind die Friedensgebete, die seit Beginn der 1980er-Jahre abgehalten wurden und einer der Gründe sind, warum das Ende der DDR von Leipzig ausging. 

Leipzig war seit jeher bekannt für seine zwei Innenstadtkirchen. Doch während die Thomaskirche für ihre jahrhundertealten Tradition und die Thomaner bekannt war, stand die Nikolaikirche für Aufschwung und Aufgeschlossenheit, insbesondere gegenüber der Jugend. Die Friedensgebete entstanden auf Wunsch vieler junger Christen aus Leipzig, die sich nach Veränderung sehnten.

Nikolaisäule und Nikolaibrunnen

Vor der Kirche steht heute zur Erinnerung an jene Zeit eine mit Palmwedeln gekrönte 16 Meter hohe Säule aus dem Kirchenschiff, die bereits 1999 installiert wurde. Sie ist eine Replik der Säulen innerhalb der Kirche. Das Projekt des Leipziger Künstlers Andreas Stötzner wurde vom Leipziger Bildhauer Markus Gläser ausgeführt und soll den Gedanken des Aufbruchs symbolisch aus der Kirche hinaustragen. Die Palmenwedel am Säulenkopf stehen für die Friedfertigkeit der Ziele von einst.

Den Gedanken der Friedlichen Revolution in Leipzig trägt auch der Nikolaibrunnen. Der schlichte Granitbrunnen mit 3,30 Meter Durchmesser stammt vom Londoner Architekturbüro David Chipperfield und soll den Kirchhof vor St. Nikolai als Ort der Kommunikation und Ruhe erlebbar machen. Eine Besonderheit ist die Gestaltung des Wassers. Im Sommer ist die Granitschale randvoll mit Wasser gefüllt, das bei der leichtesten Bewegung überschwappt. Das Überlaufen des Wassers soll den Freiheitsdrang der Menschenmasse und die politische Situation in der DDR symbolisieren, in der „jeder Tropfen das Fass zu Überlaufen bringen konnte“.

Alte Nikolaischule 

Wer heute auf dem Nikolaikirchplatz steht und die herrliche Fassade der Alten Nikolaischule an der Nordseite des Platzes bestaunt, ahnt nicht, in welchem Zustand das historische Gebäude noch vor 35 Jahren war. 1989 sahen die Teilnehmer der Montagsgebete nur ein verfallenes Bauwerk in einem ruinösen Zustand. 1976 musste es deshalb von der Bauaufsicht gesperrt werden. Dieser Verfall löste bei vielen Leipzigern Wut aus. Es herrschte Unverständnis darüber, wie man ein solch historisches Gebäude sich selbst überlassen konnte.

Alte Nikolaischule 
Alte Nikolaischule 

Denn die Alte Nikolaischule war die erste städtische Bürgerschule in Leipzig, deren Geschichte bis zum Ende des 12. Jahrhunderts zurückreicht. Es dauerte aber bis zum Jahr 1991, dass etwas passierte. Damals wurde unter finanzieller Beteiligung der Leipziger Partnerstadt Frankfurt am Main das Gebäude liebevoll saniert. Heute wird die Alte Nikolaischule gastronomisch und museal genutzt, insbesondere durch die Kulturstiftung Leipzig, die sich sofort nach ihrer Gründung 1990 für eine Rettung der Alten Nikolaischule eingesetzt hatte.

Museum in der Runden Ecke 

Der neuralgische Punkt der Montagsdemonstration am 9. Oktober 1989 war die „Runde Ecke“. Dort befand sich die Zentrale der Leipziger Stasi, der „Bezirksverwaltung für Staatssicherheit“ und das gefürchtetste Gebäude der Stadt. Es diente zwischen 1945 und 1989 durchgängig geheimdienstlicher Nutzung. Wegen dem Gebäudegrundriss entstand zu DDR-Zeiten das verschwörerisch gebräuchliche Codewort „Runde Ecke“. Als einer der Höhepunkte der Friedlichen Revolution in Leipzig gilt die Besetzung der Stasi-Zentrale durch Montagsdemonstranten am 4. Dezember 1989. 

Im Jahr 1991 erhielt das Gebäude eine ganz eigene Geschichte. Die Gedenkstätte „Museum in der Runden Ecke“ zog mit der Dauerausstellung „Stasi – Macht und Banalität“ in die historischen Mauern ein. Die eindrucksvolle Ausstellung behandelt die Geschichte, die Struktur und die Arbeitsweise des Ministeriums für Staatssicherheit in der DDR. Zu sehen gibt es teils einzigartige Exponate wie originale Arbeitsutensilien und Räume des DDR-Geheimdienstes, eine Maskierungswerkstatt, Geruchskonserven, Geräte zum Kontrollieren von Post und Abhören von Telefonaten und sogar eine Gefängniszelle.

Zeitgeschichtliches Forum

Wer sich mit dem Jahr 1989 in Leipzig beschäftigt, muss auch zurückblicken. Denn das Ende der DDR ist direkt mit ihrem Anfang verknüpft. Eine Reise durch die Zeit der DDR ermöglicht das „Zeitgeschichtliche Forum“ in der Innenstadt. Das Museum stellt die Geschichte der deutschen Teilung, das Alltagsleben in der kommunistischen Diktatur der DDR und den Wiedervereinigungsprozesses mit all seinen Herausforderungen für beide Seiten in den Fokus.

Das Museum versteht sich gleichzeitig als Ausstellungs-, Dokumentations- und Informationszentrum und wurde am 9. Oktober 1999, dem zehnten Jahrestag der Friedlichen Revolution in Leipzig, eröffnet. Die Ausstellungsfläche umfasst 2.000 Quadratmeter. Vor dem Museumseingang steht die Bronzeplastik „Der Jahrhundertschritt“ von Wolfgang Mattheuer. Sie gilt als eines der bedeutendsten Kunstwerke der DDR zu Zeiten der Deutschen Teilung und als Sinnbild für die Zerrissenheit des 20. Jahrhunderts.

Friedliche Revolution in Leipzig: Augustusplatz

Einer der diversesten Orte in Leipzig ist der Augustusplatz am östlichen Innenstadtring. Mit 40.000 Quadratmeter ist er einer der größten Stadtplätze in Deutschland – und ein Ort, auf dem unterschiedliche Baustile und Architekturperioden aufeinanderprallen. Das Opernhaus der Oper Leipzig, ein neoklassizistischer Bau aus DDR-Zeiten, steht im Kontrast zum verglasten und funktional gebauten Gewandhaus zu Leipzig, dazwischen thronen mit Augusteum und Paulinum Gebäude der Universität Leipzig. Einst stand hier die Paulinerkirche, die 1968 auf Geheiß der DDR-Führung gesprengt wurde. 

Augustusplatz in Leipzig
Oper Leipzig

Die schönste Aussicht über die Stadt hat man vom Panorama Tower am Augustusplatz, der auch City-Hochhaus Leipzig genannt wird. Mit 142,5 Metern ist es das höchste Gebäude Leipzigs und das zweithöchste Gebäude der neuen Bundesländer. Im 31. Stock befindet sich die Freiluft-Aussichtsplattform, von der man einen großartigen Blick weit über Leipzig hat. 

Friedliche Revolution in Leipzig: Gewandhaus zu Leipzig

Der Augustusplatz ist einer der Hauptschauplätze des Lichtfest Leipzig, insbesondere das Gewandhaus. Das funktional errichtete Gebäude entstand in den Jahren 1977 bis 1981 und war der erste und zugleich bedeutendste Konzerthallenneubau in der DDR. Im Herbst 1989 kam dem Gewandhaus politische Bedeutung zu. Der Gewandhauskapellmeister Kurt Masur öffnete das Haus für die sogenannten „Gewandhausgespräche“. In diesen öffentliche Diskussionsrunden wurde über die Reformen und die Zukunft der DDR debattiert. Damit wurde das Gewandhaus zu einer Plattform für die politische Opposition der DDR und ein wichtiger Schauplatz für die Friedliche Revolution in Leipzig.

Gewandhaus zu Leipzig

Am 9. Oktober startet das Lichtfest Leipzig deshalb aus gutem Grunde im Gewandhaus: Um 14:30 Uhr findet der Festakt der Stadt Leipzig und des Freistaates Sachsen mit der Rede zur Demokratie statt (mit einer Live-Übertragung in der ARD). Bundeskanzler Olaf Scholz hält die traditionelle Rede zur Demokratie. In der Nikolaikirche findet um 17 Uhr das Friedensgebet statt (mit einem Livestream auf mdr.de). Um 19 Uhr wird auf dem Augustusplatz das Lichtfest offiziell eröffnet – mit Grußworten von Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung und hunderttausenden Lichtern, die die Stadt erleuchten und damals wie heute für Freiheit und Demokratie brennen.

Lichtfest Leipzig 2024
Foto: Alexander Schmidt

Friedliche Revolution in Leipzig: Links & Lesetipps

Lichtfest Leipzig
Programmheft Lichtfest
Lichtfestrundgang in der Explore-Leipzig-App (Android und iOS)
Rundgang zur Friedlichen Revolution
Bundeszentrale für politische Bildung: Der 9. Oktober 1989 in Leipzig
Sächsische Landeszentrale für politische Bildung: Friedliche Revolution in Leipzig
Podcast „Willkommen in Leipzig“ (Folge 31) „Auf den Spuren der Friedlichen Revolution“:


♥ Offenlegung

Dieser Artikel entstand in einer bezahlten Zusammenarbeit mit Leipzig Tourismus und Marketing GmbH. Meine Meinung ist aber völlig unvoreingenommen und stets meine eigene. Weitere Infos über Leipzig gibt es auf www.leipzig.travel.

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♥ Weiterreisen in Leipzig

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